Fürstenau. Seit fast einem Jahr gibt es nun diese Förderklasse. Sie ist Teil eines neuen umfassenden pädagogischen Konzeptes, das die IGS in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen ihrer Qualitätsentwicklung erarbeitet hat. Es sieht insgesamt vier Klassenprofile ab dem fünften Jahrgang vor. Zum einen gibt es das GE-Profil. Es ist für alle Schüler gedacht. Erreichbar sind Abschlüsse bis hin zum Sekundarabschluss, der zum Besuch der Oberstufe berechtigt. Der Unterricht in den Hauptfächern ist in Kursen differenziert. Jede Kurszuweisung wird am Ende des Halbjahres überprüft.
Zum anderen gibt es das E-Profil. Es richtet sich an Schüler mit einem sehr guten oder guten Grundschulzeugnis. Unterrichtet wird in den Hauptfächern in Kursen mit erhöhten Anforderungen, eine zweite Fremdsprache ist – im Gegensatz zum GE-Profil – verpflichtend. Auch hier gibt es regelmäßige Überprüfungen der Leistungen.
Weiterhin gibt es ein D-Profil. Es richtet sich an Schüler, die noch nicht zwei Jahre in Deutschland sind. Lehrer bereiten sie im Unterricht gezielt auf den Sprachenerwerb auf drei Niveaustufen vor. Die Schüler sind zwecks besserer Integration Regelklassen zugeordnet.
Und dann gibt es das F-Profil für den fünften und sechsten Jahrgang. Hier hat die IGS im vergangenen Jahr eine Klasse gebildet, die zunächst mit sechs Schülern gestartet ist, die einen „sonderpädagogischen Förderbedarf“ hatten. Den Unterricht übernimmt neben IGS-Lehrern auch die Förderschullehrerin Patricia Ihrke von der Paul-Moor-Schule in Freren. Die kleine Lerngruppe hat vor allem einen Zweck: Sie soll den Schülern Raum und Zeit für individuelle Lernprozesse geben – um Wissensrückstände aufzuholen, um Erfolgserlebnisse zu haben und um Selbstvertrauen zu gewinnen.
Das gilt auch für Eddy, Jan, Timo, Adrian, Alex, Ibo und Louis. Sie sind die aktuellen F-Profil-Schüler. Die sieben Fünftklässler nehmen in den Fächern Arbeit/Wirtschaft/Technik, Sport, Musik und Kunst mit den übrigen Klassenkameraden des vierzügigen Jahrganges am regulären Unterricht teil. Aber in Hauptfächern wie Deutsch, Mathe oder Englisch bilden sie eine gesonderte fünfte Klasse. Hier geht es für sie zunächst einen Schritt zurück, damit später nach Möglichkeit zwei vorangehen können. Anders formuliert: Sie arbeiten noch einmal den Grundschullernstoff auf. Bei zwei Schülern hat das bereits gut funktioniert. Sie nehmen inzwischen wieder in allen Fächern am Unterricht in der Stammklasse teil. Dafür sind drei neue Schüler hinzugekommen – macht sieben.
Sie seien alle sehr lernwillig, wie Kerstin Selter betont. Einst hat sie an der Grundschule in Schwagstorf unterrichtet, heute ist sie Jahrgangsleiterin für den fünften und sechsten Jahrgang an der IGS. In der Förderklasse unterrichtet sie die Jungen in Englisch und Deutsch. Aufgrund ihrer schulformübergreifenden Erfahrungen weiß sie, wo sie pädagogisch ansetzen muss – und zwar erst einmal grundsätzlich bei der Arbeitsweise. Jungen hätten oft weniger Geduld als Mädchen, seien unkonzentriert und wollten ihre Aufgaben schnell erledigen. Deshalb sei zunächst ein klar strukturierter Arbeitsablauf wichtig, der sich jeden Tag wiederhole und von Ritualen begleitet sei. „Das gibt den Jungen Sicherheit und Selbstvertrauen“, freut sich Kerstin Selter.
Zu den lieb gewonnenen Ritualen gehört eben auch die Musik aus dem CD-Player. Solange die sanft klingende Geräuschkulisse vernehmbar ist, wissen die Jungen, dass sie an ihren Aufgaben arbeiten müssen. Das klappt erstaunlich gut. Es ist mucksmäuschenstill in der Klasse. Kein Junge ist abgelenkt. Wenn Kerstin Selter dann die Musik ausschaltet, wissen die Schüler, dass eine neue Aufgabe folgt. Worte sind da nicht notwendig.
Und so nehmen die Unterrichtsstunden mit Leseübungen, dem Lernen von Satzgliedern und Schleichdiktaten ihren Lauf. Zudem gibt es eine Lerntheke, an der sich die Jungen bedienen können, wenn sie ihre Aufgaben erledigt haben. Hier gibt es beispielsweise Purzelwörter wie „roFrsch“. Mit Vergnügen sorgen die Jungen für Ordnung im Buchstabensalat.
Die meisten dieser Schüler haben das erste Mal in ihrer Schullaufbahn echte Erfolgserlebnisse. In der Grundschulzeit konnten sie im Unterricht oft nicht mithalten. Das führte zu Mutlosigkeit, zu einer Egalhaltung und bisweilen auch zu Aggressivität. In der Förderklasse ist das nun anders. Stellt Kerstin Selter eine Frage, gehen fast alle Finger nach oben.
Nun ließe sich einwenden, dass die Bildung dieser Förderklasse nicht den Zielen der Inklusion entspricht. „Doch“, sagt die IGS. Zum einen nähmen die Jungen ja in vielen Fächern am Unterricht im großen Klassenverband teil. Zum anderen sei das ausdrückliche Ziel der Förderklasse nicht das Ausgrenzen, sondern das Eingliedern in die Stammklasse. Dazu bedürfe es der individuellen Förderung in Kleingruppen.
Wie Schulleiter Jürgen Sander ergänzt, sieht das übrigens auch der niedersächsische Kultusminister Hendrik Tonne so. In einem Vorwort an Schulen erklärte er jüngst zum Thema Inklusion, dass Schulträger alternativ auch Lerngruppen für Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung einrichten könnten. Die IGS muss das nicht mehr machen. Sie hat bereits eine Lerngruppe.